Interview mit Mathias Götti Limacher, Präsident von apisuisse

3. Okt 2022

 Mathias Götti Limacher

1973, Maienfeld (GR)
Verheiratet, 2 Kinder
Präsident von apisuisse
Agronom FH

 

Was erhofft sich Ihre Organisation von dieser Zusammenarbeit mit dem SVZ?

Mathias Götti Limacher: Das erklärte Ziel der Zusammenarbeit ist die schweizerischen Zuckerproduktion in eine bienenfreundliche Richtung zu entwickeln. Apisuisse erwartet von dieser Zusammenarbeit, dass dies von der Zuckerbranche entschlossen angegangen wird. Die wichtigsten Eckpunkte dafür sind die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes wie auch der Schaffung eines zusätzlichen Blütenangebots. Ein guter Weg um dies zu erreichten ist die Ausdehnung der Produktion von Rüben mit IP-Suisse- und Bio-Suisse-Label. Diese Label zeigen auch im Verkauf auf, dass der Zucker unter nachhaltigeren Kriterien produziert wurde.

  

Wie Ihr Verhältnis zur Landwirtschaft bzw. zum Rübenanbau?

MGL: Ich bin in einem kleinen, landwirtschaftlich geprägten Dorf aufgewachsen. Obwohl wir in der Familie keinen eigenen Betrieb hatten, habe ich mich entschlossen, die Zweitausbildung als Landwirt zu absolvieren. Im Anschluss habe ich an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen die Fachrichtung Pflanzenbau studiert. Auf mehreren Betrieben meiner Lehrzeit wurden auch Zuckerrüben angebaut. Ich war regelmässig mit der Hacke in den Rübenfeldern unterwegs und kenne die Kultur mit ihren Schwierigkeiten im Anbau. So bin ich mir auch bewusst, dass eine Entwicklung Richtung mehr Bienenfreundlichkeit eine Herausforderung darstellt.

  

Wie stellt apisuisse sicher, dass die Schweizer Imkerschaft nicht instrumentalisiert wird?  

MGL: Die Instrumentalisierung unserer Organisation ist in der Tat ein Risiko, dessen wir uns bewusst sind. Wir haben mit unseren Partnern vereinbart, dass ein Zeitplan mit ehrgeizigen Zielen für die Reduzierung der schädlichsten Pflanzenschutzmittel schnell umgesetzt und regelmässig bewertet werden soll. Anhand dieser Kriterien werden wir feststellen, ob es möglich ist, die Zuckerproduktion in der Schweiz so zu entwickeln, dass wir auch als Bienen-Vertreter dahinterstehen können. Um unsere Glaubwürdigkeit, sowohl gegenüber unseren Mitgliedern – den Imkerinnen und Imkern, wie auch gegenüber der Öffentlichkeit nicht aufs Spiel zu setzen, müssen wir sehr wachsam sein und dürfen gegebenenfalls nicht zögern, das Abkommen zu kündigen, wenn wir das Gefühl haben, instrumentalisiert zu werden.

 

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial für eine bienenfreundlichere Landwirtschaft?
MGL: Da in unserem Land ein wesentlicher Anteil der Flächen landwirtschaftlich genutzt werden, hat die Art und Weise der Bewirtschaftung einen grossen Einfluss auf die Lebensbedingungen der Bienen. Als ersten Punkt mit Verbesserungspotential möchte ich den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nennen. Es liegt in der Logik der Sache, dass Bienen vom Einsatz von Insektiziden ebenfalls betroffen sind. Einige sind bienengiftig. Wenn Bienen mit diesen in Kontakt kommen und diese auch in ihren Stock tragen, sterben sie und nicht selten auch ganze Völker. Bienen sind aber auch von Mitteln betroffen, welche nicht als bienengiftig deklariert sind. In diesem Zusammenhang möchte ich den ersten Vergiftungsfall erwähnen, welchen ich erlebt habe – damals noch als Lehrer und Berater für Pflanzenbau am Plantahof. Anhand von Proben der toten Bienen war sehr rasch klar, auf Grund welches Mittels die Bienen gestorben waren. Es war eines der drei hochgiftigen Neonicotinoide, welches im Obstbau gegen Blattläuse eigesetzt wurde. Die Bäume waren noch nicht in Blüte. Im Unterbewuchs hatte es aber Löwenzahn, auf welchem die Bienen sammelten und somit in die «Todesfalle» gingen. Dieses Mittel ist heute nicht mehr zugelassen, zudem hätten blühende Pflanzen vor dem Einsatz gemulcht werden müssen.  
Noch mehr betroffen als die getöteten Bienenvölker hat mich die Tatsache, dass in den Proben noch mindesten acht weitere Wirkstoffe, auch von Fungiziden und Herbiziden, nachzuweisen waren.  
Von einigen Mitteln kennen wir die Wirkungen auf Bienen ziemlich genau. Worüber wir aber noch nicht viel wissen, ist über die sogenannten «Cocktaileffekte», wenn Bienen mit mehreren Wirkstoffen gleichzeitig konfrontiert werden: Im Sinne der Bienen müssen alle Einsätze von Pflanzenschutzmitteln hinterfragt werden. Die Nebenwirkungen lassen sich am allerbesten reduzieren, wenn keine Mittel eingesetzt werden und in die Umwelt gelangen. Wenn nicht anders möglich, sollen Mittel eingesetzt werden, welche möglichst bienenschonend sind. Zudem müssen diese korrekt eingesetzt werden. Offensichtlich bienenschädliche Mittel müssen möglichst rasch durch andere alternative Methoden ersetz werden.

Ebenfalls wichtig ist daneben die Erhöhung der Nektar- und Pollenquellen sowohl Landwirtschafts- aber auch auf der Siedlungsfläche. Im Flachland nach der Blüte von Obstbäumen und Raps und in den Bergen nach der Löwenzahnblüte verwandeln sich diese Flächen für Honig- und Wildbienen vielerorts in eine «Wüste», da sie nicht nur noch spärlich Blüten finden. Ein Honigbienenvolk benötigt pro Jahr 25-50 kg Pollen (das ist die Proteinquelle) und 50-100 kg Nektar (das ist die Energiequelle) für seinen blossen Lebensunterhalt. Wenn das Jahr gut ist, kommt der Honig noch dazu. Ist das Jahr schlecht wie im Jahr 2021, müssen die Bienen ab Juni gefüttert werden. Schliesslich ist auch noch der Mähaufbereiter zu erwähnen. Das Mähen eines blühenden Weisskleebestandes im Bienenflug mit Aufbereiter tötet etwa 24’000 Bienen pro Hektar, was einem Honigbienenvolk entspricht.

  

Nach dem Verbot von Neonicotinoiden (NNi) für Saatbeizung in Zuckerrüben ist die Schweiz eines der wenigen Länder in Europa, das keine Sonderbewilligung für die Verwendung von NNi als Saatbeizung erhalten hat. Die Auflagen hierzulande sind also schon heute strenger als in unserer Nachbarschaft und wir sollten deshalb vermehrt einheimischen und umweltfreundlichen Zucker aus inländischer Produktion konsumieren. Wie schätzen Sie diesen Sachverhalt ein?

MGL: Ja, dieses Verbot war aus Sicht des Bienenschutzes ein wichtiger Schritt, welcher anzuerkennen ist. Zur vollen Zufriedenheit gelöst ist das Problem noch nicht. Die im Moment noch nicht ersetzbaren Notzulassungen für Mittel, welche gegen Blattläuse gespritzt werden können, sind in Bezug auf Bienen immer noch heikel. Die Behandlung im Bedarfsfall ist aber Schritt in die richtige Richtung. Wichtig ist aber, dass die Mittel wirklich nur wenn wirklich nötig eingesetzt werden. Auch wenn Zucker aus gesundheitlicher Sicht im Mass genossen werden soll, bin ich klar für den Konsum von Zucker aus der Schweiz. Ich brauche ihn insbesondere, um meine Bienen zu füttern und bevorzuge wenn immer aus einheimischer Produktion erhältlich, Zucker aus Bio oder IP-Anbau. Die Produktion in Rahmen dieser beiden sehr etablierten Labels erachte ich als grosse Chance. Deren Richtlinien beinhalten alle bereits erwähnten Faktoren für eine bienenfreundliche Produktion: Reduktion Pflanzenschutzmitteleinsatz und Förderung des Blütenangebotes und der Biodiversität generell.

 

Herzlichen Dank an Mathias Götti !

Zur Medienmitteilung vom 27. September 2022 "Eine Vereinbarung zum Wohle der Bienen"